"Vorsicht, Laterne", sage ich und ziehe den rückwärtslaufenden F ein Stück näher an mich heran. "Tschüss", ruft er seinem Kumpel noch schnell zu, dreht sich um und bemerkt mit einem "huch" die knapp verpasste Laterne. "So viel zum Thema 'Ich bin total nüchtern'", nuschele ich und verstecke mich tiefer in meinem Schal, es ist so furchtbar kalt. "Bin ich nicht", lacht er und steckt sich eine neue Zigarette an. Ich mache mir gar nicht die Mühe zu protestieren, sondern überlege mir nur, wie ich meiner kontrollsüchtigen Mutter erkläre, dass ich schon wieder nach Rauch rieche. "Mein Kumpel raucht", hilft er mir auf die Sprünge, da er offensichtlich wieder meine Gedanken erraten hat. "Hmh", grummele ich und frage mich selbst, warum ich heute so wortkarg bin. "Krass, wie die Zeit vergeht", bemerkt er plötzlich kopfschüttelnd. "Hä?", erwidere ich, weil ich seinem Gedankengang nicht im Entferntesten folgen kann. "Naja, mein Kumpel", erkläret er lächelnd, "Das ist alles schon so lange her". "Achso", bemerke ich, "Und bald ist das alles hier auch vorbei". Kaum ist es ausgesprochen, beiße ich mir auf die Lippe und ärgere mich, eine Zukunft erwähnt zu haben, die ungewisser nicht hätte sein können. "Endlich", sagt er kalt, "Ich kann es kaum erwarten aus dieser Stadt herauszukommen". Stumm stimme ich ihm zu, während ich darüber nachdenke, wie sehr diese Stadt uns alle verändert hat. Wie kontrolliert unser Leben scheint und wie herzlos über jeden Fehler eines anderen gesprochen wird. Im Grunde hatte er Recht. Wie ungewiss meine, seine und vor allem unsere zukunft auch sein mag, sie wird uns von hier fortbringen und vielleicht sind wir dann endlich frei. Ich seufze erneut und beobachte ihn dabei, wie er seine Zigarette wegschnippt und mir einen Kuss auf die Lippen drückt, der so nach Rauch schmeckt, dass ich glauben könnte, ich hätte diese Zigarette selbst geraucht. Als er sich von mir löst, ist jegliche melancholische Stimmung verflogen und mit einem Lachen stellt er fest, dass wir direkt unter einer Laterne stehen. "Ja und?", lache ich und fange an, die Wirkung des Alkohols auch bei mir zu spüren. Schnell ziehe ich ihn noch einmal an mich heran.
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Kommentare zum Post
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Süß :)
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