Pina Colada und Hochzeitsgrüße.

Da stehe ich nun. In einem Kleid, das nicht meines ist. Inmitten von Menschen, von denen ich die wenigsten beim Namen nennen könnte. Das Sektglas in der Hand fühlt sich schwer an und ich fürchte bereits seit Stunden um meine Wimperntusche. Meine Augen sind mein Markenzeichen, jeder bewundert das Blau, die langen Wimpern. Die auch heute ihren Zweck erfüllen und den Anschein einer perfekten Welt aufrecht erhalten. Es sei denn ich zerstöre dieses Kunstwerk mit den Tränen, die sich schon seit Stunden in meinen Augenwinkeln sammeln. "Bei Hochzeiten wird geweint, so ist das nunmal", sagen immer alle. Aber ich sollte nicht weinen, nicht heute. Nicht bei dieser Hochzeit, auf der ich nicht zum Verwandtenkreis gehöre. Ich sollte mich den anderen Menschen anschließen, ausgelassen feiern und mit Alice das eine oder andere Tänzchen aufs Parkett legen. Aber ich kann nicht, noch nicht. Der Platz links neben mir, der ironischerweise leer geblieben ist, erinnert mich schmerzlich an Sam, der dort sitzen sollte. Der meine Hand halten sollte, während über die Liebe gesprochen wird. Der ein Bier nach dem nächsten trinken sollte, um mich am Ende des Abends zu deutschem Schlager auf die Tanzfläche zu ziehen. Wir sollten einen schönen Abend haben. Alice, Sam und ich. Aber jetzt ist ja alles anders. Meine rechte Seite ziert Alice, während ich von Glück reden kann, dass auf der linken nicht meine Mutter sitzt, die jedes Getränk erst einmal inspizieren würde. "Sam kommt ja jetzt nicht mehr, oder?", fragt mich Alice' Mutter und sieht in ihrem weißen Kleid einfach zauberhaft aus. "Nein", sage ich und frage mich, warum ich es schaffe, so gefasst zu klingen. "Geht's halbwegs?", fragt mich Alice' Vater, zum ersten Mal erlebe ich ihn ernst. "Ja, alles okay", versuche ich mich an einem Lächeln, wie ich es schon seit Tagen tue. Aber eigentlich ist gar nichts okay. Es ist nicht okay, ihn jeden Tag zu sehen. Es ist auch nicht okay, sein Lächeln zu sehen, das nicht mehr mir gilt. Und zu wissen, dass er von einem auf den anderen Tag beschlossen hat, ich wäre ihm nicht mehr wichtig, ist alles andere als okay. "Hey", stupst Alice mich an und hält mir ein Cocktail-Glas unter die Nase, "Heute sind wir nicht traurig, das wird der beste Abend seit Langem". Und als ich mich meinem liebsten Kokos-Drink hingebe, um wenig später mit Alice jedes Lied lautstark mitzusingen, weiß ich, dass sie Recht hat. Dieser Abend ist legendär, trotz des Fehlers, den ich möglicherweise gemacht habe.

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