Während ich in meinem Essen rumstochere spüre ich Sams und Lucas Blicke wie Nadelstiche im Nacken. Sie geben eine schöne Einheit ab, wie sie da so hinter mir sitzen, mit Simon und ihren Eltern an einem Tisch. Unendlich viele Geschichten könnte ich über die drei erzählen, über Luca, Sam und Simon. Nur dass ich bei Sam und Luca wohl in der Vergangenheit sprechen muss. "Hab ich mal geliebt", "War einmal ein guter Freund". Simon ist der einzige, der mir treu bleibt. Das Problem mit dir, Luca, denke ich, ist, dass du alles tust, um Sams Aufmerksamkeit zu erlangen. Und das Problem dabei ist wiederum, dass Sam nicht so angetan von Luca ist, wie es scheint. Ich drehe mich leicht um, um zu beobachten, wie die beiden miteinander lachen und kann mir ein einfaches Kopfschütteln nicht verkneifen, während ich mich zurückdrehe. Kurz lächele ich noch Sams Mutter an und frage mich, wann sie wohl festgestellt hat, dass ich nicht mehr zum Abendessen komme. Und nie mehr bis zum Frühstück bleibe. Und dann frage ich mich, wie so oft in den letzten Tagen, wie es wäre, wenn es noch mein Sam wäre. Ob ich jetzt auf Lucas Platz an Sams Seite thronen würde? Voller Vorfreude auf die sechs Wochen Ferien und voller bittersüßer Wehmut über den Abschied von der Klasse, über die Neuformationen. Ich frage mich, wie die Klassenfahrt wohl ausgesehen hätte und ob ich es Melli vielleicht gleichgetan hätte und nicht eine Nacht in meinem eigenen Bett verbracht hätte. Ich frage mich, ob ich das Motiv von Sams Fotos geworden wäre und ich frage mich, was für Pläne wir für den Sommer gemacht hätten. Und ob wir mit Luca und Melli phänomenale Doppeldates veranstaltet hätten. Ob alles gut geworden wäre. Oder ob vielleicht alles beim Alten geblieben wäre. Ob wir uns immernoch wegen jedem Bisschen gestritten hätten. Ob wir uns weiterhin gegenseitig eingesperrt hätten, ob mir seine einfachen Fehler immernoch Tränen in die Augen treiben würden. Und ich frage mich, was nun besser ist. Schwierige Zeiten oder dieses Nichts, womit ich jetzt leben muss. Und mit der Gewissheit, dass wir all das kaputt gemacht haben, was uns seit mehr als sechs Jahren begleitet. Dass die unendlichen Geschichten jetzt zu Ende sind. Genauso wie die guten, alten Zeiten als Klasse zu Ende sind. Wie alles zu Ende ist. Wie ich fast alles, was ich geliebt habe, verloren habe.
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